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Droht eine Immobilienblase?

Lübeck, 25. Februar 2021. Die Bundesbank attestiert dem Immobilienmarkt in Deutschland „markante Preisübertreibungen“: Besonders außerhalb von Ballungszentren habe Corona die Nachfrage – und damit die Preise – noch einmal in die Höhe getrieben. Müssen wir jetzt mit dem Platzen einer Immobilienblase rechnen? Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters Dr. Klein, beantwortet die aktuell wichtigsten Fragen.

Wie ist die Warnung der Bundesbank vor Überbewertungen auf dem deutschen Immobilienmarkt einzuschätzen?

 Foto: Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein
Foto: Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein

Michael Neumann: Bei dieser Diskussion darf man einen kritischen Blick auf die EZB werfen – und damit auch auf die Bundesbank, die als Ratsmitglied der EZB die Geldpolitik aktiv mitbestimmt. Denn die EZB hat einen entscheidenden Anteil an den Preissteigerungen von Immobilien. Sie manipuliert mit ihrer indirekten Staatsfinanzierung die Zinsen und hält sie künstlich niedrig. Damit verursacht bzw. verstärkt sie den Anlagenotstand und die Preissteigerungen bei Sachwerten. Dass die Bundesbank sich jetzt an anderer Stelle kritisch äußert, lässt darauf schließen, dass sie sich im EZB-Rat mit ihrer Position nicht durchsetzen kann: Auf der einen Seite warnt die Bundesbank vor der Immobilienblase, gleichzeitig ist sie durch ihre EZB Ratsmitgliedschaft Mitverursacherin von Verteuerungen. 

Die Preise für Immobilien steigen schneller als Einkommen und Mieten. Wie weit hat sich der Kaufpreis vom Wert des Objekts mittlerweile entkoppelt?

Michael Neumann: Eines von vielen Kennzeichen einer Immobilienblase ist ein aufgeblähter Immobilienmarkt, auf dem die Preise den tatsächlichen Wert bei weitem übersteigen. Bei einigen Objekten in zentralen Lagen muss man tatsächlich von Übertreibungen sprechen. Paradebeispiele hierfür sind luxussanierte Lofts in ehemals einfacheren Berliner Vierteln. Die Frage, ob das Haus oder die Wohnung das Geld wirklich wert ist, müssen Investoren auch in anderen Metropolen kritischer beantworten als früher: Kaufpreise, die 30 bis 40 Mal so hoch sind wie die zu erwartende Jahresnettokaltmiete, sind vielerorts keine Seltenheit mehr.

Vor allem in Ballungszentren, aber auch in deren Umland hat sich Wohneigentum deutlich verteuert. Letzteres profitiert davon, dass dezentrales Arbeiten in großem Umfang möglich geworden ist und in diesem Zuge werden auch ländliche Regionen aufgewertet. Es gibt nicht mehr nur Speckgürtel, sondern es entstehen auch Speckwürfel. Aber: Nur weil Preise steigen, bedeutet das nicht, dass eine Blase entsteht.

Was würde denn zu einem Platzen der Blase führen?

Michael Neumann: Dafür ist eine massive Umkehr der Preisentwicklung notwendig: Nachdem der Höchststand erreicht ist, müssten die Preise deutlich und schnell fallen. Und das flächendeckend. Das könnte eintreten, wenn die Immobilie als Anlageform für Investoren uninteressant werden würde und ein Überangebot an Immobilien auf zu wenig Nachfrage trifft. Das wäre prinzipiell denkbar, wenn es plötzlich erheblich attraktivere Anlagealternativen für Investoren gäbe.

Theoretisch könnte das passieren, wenn z.B. die Renditen von als sicher geltenden Anleihen massiv steigen würden und Kapital sukzessive aus dem Immobilienmarkt umgeschichtet werden würde. Da der Immobilienmarkt eher illiquide ist und eine Immobilientransaktion Zeit in Anspruch nimmt, wäre hierfür aber eher ein längerfristiger Prozess zu erwarten. Mit steigenden Anleiherenditen würde grundsätzlich auch ein Anstieg des Zinsniveaus einhergehen, wenn die Notenbank sich plötzlich als aktiver Marktteilnehmer zurückziehen würde. Auch das ist aber ein – auf absehbare Zeit – sehr unwahrscheinliches Szenario. Und als stabilisierender Faktor im deutschen Wohnimmobilienmarkt fungieren auch noch die vielen Eigennutzer, für die der aktuelle Marktpreis ihrer Immobilie Nebensache ist, weil das Wohnen in den eigenen vier Wänden für sie im Vordergrund steht.

Was würde eine Abwertung der Immobilie für den Verbraucher bedeuten?

Michael Neumann: Wer eine bezahlte Immobilie besitzt und diese nicht verkaufen will, wird keine Nachteile durch eine temporär rückläufige Preisentwicklung zu spüren bekommen. Muss mit einem zeitnahen Verkauf dagegen eine bestimmte Summe erzielt werden – beispielsweise bei einer Trennung –, ist unter Umständen mit Verlusten rechnen. Wenn die Anschlussfinanzierung ansteht und die Immobilie deutlich an Wert verloren hat, berechnet die Bank eventuell höhere Konditionen als zu Beginn kalkuliert. Möglich sind dann höhere Monatsraten oder eine längere Gesamtlaufzeit der Finanzierung. Um das Zinsänderungsrisiko so gut wie möglich auszuschließen, sollte eine langfristige Zinsfestschreibung gewählt werden und das Darlehen nicht auf Kante genäht sein. Außerdem empfiehlt es sich, die Gesamtfinanzierung mit einer hohen Tilgung zu konzipieren.

Gesetzt den Fall, die Preise steigen im gleichen Tempo weiter: Wird ein abruptes Ende wahrscheinlicher?

Michael Neumann: Nicht nur in den großen Städten werden die Preise weiter steigen – auch über 2021 hinaus. Ein Szenario, in dem sie innerhalb kurzer Zeit einbrechen, ist derzeit nicht absehbar. Ein wesentlicher Grund: Die EZB hält mit massiven Investitionen die Zinsen auf lange Sicht niedrig. Das bedeutet zum einen langfristige Planungssicherheit für Immobilienfinanzierende und andererseits mangelnde Anlagealternativen – also weiterhin eine starke Nachfrage nach Immobilien. Auch die in den letzten Monaten aufgestaute Kaufkraft wird neben Konsumausgaben zum Teil auch zur Anschaffung von Wohnraum genutzt werden.  Mit abklingender Pandemie und einsetzender wirtschaftlicher Erholung halte ich es perspektivisch außerdem für möglich, dass Banken ihre zuletzt teilweise eingeschränkten Kreditvergaberichtlinien wieder auf Vor-Corona-Niveau anpassen. Das alles spricht gegen ein abruptes Ende von Preissteigerungen.

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Susanne Kerstan
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Foto: Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG
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