Inflation und Rezessionsrisiken, Ukraine-Krieg und Energiekrise: Die momentan unsicheren Zeiten wirken sich in vielen Lebensbereichen aus. Höhere Preise bekommen wir alle zu spüren – und wer eine Immobilie bauen oder kaufen will, muss mit sehr viel höheren Finanzierungszinsen rechnen als noch im letzten Jahr. Zusätzlich haben die Banken zum Teil auch ihre Bedingungen bei der Kreditvergabe geändert. Was müssen Kreditnehmer jetzt wissen? Unsere Redakteurin Susanne hat mit Maik Korpjuhn gesprochen, Spezialist für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Lübeck.
Hallo Maik, ich höre immer wieder, dass eine Immobilienfinanzierung in letzter Zeit schwieriger geworden ist – auch abgesehen von den höheren Monatsraten. Ist das so?
Maik Korpjuhn (MK): Ja, das sehe ich so. Banken passen ihre Kriterien, nach denen sie ihre Kredite vergeben, gerade an. Wobei man sagen muss: Das tun sie immer wieder. Zu Beginn der Corona-Pandemie zum Beispiel sind sie sehr viel konservativer geworden, haben bestimmte Branchen ausgeschlossen und das Kurzarbeitergeld nicht angerechnet. Letztes Jahr hat sich das dann wieder normalisiert. Seitdem in diesem Jahr die Inflationsraten so in die Höhe geschnellt sind und mit verschiedenen Krisenherden die Aussichten unsicher werden, reagieren einige Kreditinstitute wieder und werden vorsichtiger – oder auch: strenger.
Wobei genau werden die Banken strenger – was erwarten sie neuerdings von ihren Kunden?
MK: Jede Bank geht unterschiedlich mit der Unsicherheit um, wie sich die Inflation, der Arbeits- und der Immobilienmarkt weiterentwickeln. Deshalb kann man nicht alle über einen Kamm scheren. Unterm Strich stelle ich aber fest, dass sie die Lebenshaltungskosten anheben und bei der Haushaltsrechnung einen höheren Puffer verlangen. Außerdem betrachten sie die Immobilie selbst mit einem sehr viel kritischeren Blick.
Stichwort Inflation und Lebenshaltungskosten: Wie kalkulieren Banken zurzeit?
MK: Banken berücksichtigen einerseits die allgemeinen Kosten zum Leben und andererseits die Energiekosten. Wegen der hohen Inflation und der extrem gestiegenen Energiepreise haben die meisten Banken ihre Berechnungen erhöht: Früher betrug die Pauschale zwischen 600 und 900 Euro, mittlerweile setzen sie im Schnitt 100 Euro mehr für die Lebenshaltung an – und für weitere Personen im Haushalt kommt noch was dazu. Für die Energie berechnen sie mit 3 Euro oder 3,50 Euro pro Quadratmeter im Monat einen Euro mehr als vor dem Ukraine-Krieg, pauschal und unabhängig von der Energieeffizienz. Für ein 4-Personen-Haushalt in einer 150-qm-Wohnung werden damit in der Haushaltsrechnung allein für diese Grundlagen rund 2.500 Euro abgezogen. Eventuell bestehende Kredite, Autos etc. kommen noch dazu – plus die Monatsrate für den Kredit.
Was ist mit dem Puffer, den Du vorhin angesprochen hast?
MK: Ja, einige Banken verlangen bei der Haushaltsrechnung mittlerweile einen deutlich größeren Spielraum. Früher reichte es, wenn nach der Gegenüberstellung aller Einnahmen mit allen Kosten ein kleiner Betrag übrig blieb – zum Beispiel 100 Euro. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, eben weil die Entscheider auf Bankenseite nicht zuverlässig einschätzen können, wohin die Reise geht. Je höher der Überschuss, umso besser. Nach Abzug der Finanzierungskosten wird inzwischen ein Plus von mindestens ein paar hundert Euro erwartet.
In welchen Bereichen ist es sonst noch schwieriger?
MK: Einige Banken sind restriktiver geworden, was das Elterngeld angeht. Früher war das zum Teil kein Problem: Sie sind sozusagen mit dem grünen Haken drüber gegangen und haben ohne schriftliche Bestätigung vom Arbeitgeber in der Elternzeit finanziert. Jetzt planen sie nicht mehr so optimistisch mit dem zukünftigen Einkommen wie noch letztes Jahr. Momentan gehen sie eine Elternzeit nur noch bis drei Monate Restlaufzeit mit, bei allem darüber hinaus wird nur noch das Elterngeld angesetzt, nicht mehr das Einkommen. Wegen der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten haben es auch Selbstständige zunehmend schwer, eine Finanzierung zu bekommen.
Brauchen Kreditnehmer gerade mehr Eigenkapital als sonst?
MK: Mehr Eigenkapital ist im Moment eigentlich nicht gefordert. Eine saubere, klare Bonität hilft zurzeit mehr: Banken haben lieber Kunden mit einem hohen regelmäßigen Einkommen in einer zukunftssicheren Branche und überschaubaren Ausgaben als Kunden, die mehr Eigenkapital einbringen, sich die monatliche Rate aber nur knapp leisten können. Nach wie vor ist es also möglich, den gesamten Kaufpreis zu finanzieren, da hat sich nichts geändert. Aber: Wenn wenig Eigenkapital vorhanden ist, erwarten Banken zum Teil eine höhere Tilgung – statt früher beispielsweise 2 Prozent muss dann die Anfangstilgung 3 Prozent betragen. Damit kommen die Kreditnehmer zwar schnell von den hohen Darlehensbeträgen runter, gleichzeitig steigt aber auch die Monatsrate.
Wie sieht es mit der Immobilie selbst aus: Was hat sich aus Bankensicht da in der letzten Zeit geändert?
MK: Bei der Bewertung des Hauses oder der Wohnung sind Banken definitiv strenger geworden, weil nicht sicher ist, in welche Richtung sich der Markt bewegt und ob die Preise in Zukunft nicht vielleicht zurückgehen. Wo sie früher davon ausgehen konnten, dass der Wert der Immobilie um mindestens 2 Prozent im Jahr steigt – und zwar fast egal in welcher Lage –, sind jetzt stagnierende oder auch sinkende Preise ein reales Szenario. Für Käufer und auch für die Bank wäre es absolut unglücklich, wenn nach der Zinsbindung, also beispielsweise nach 10 Jahren, der Immobilienwert unter der Darlehenshöhe liegt. Der Kunde hat ein hohes Zinsänderungsrisiko und muss eventuell mit einer höheren Monatsrate rechnen. Und für die Bank ist die Gefahr, dass ihre Kunden den Kredit nicht mehr stemmen können, hoch. Deshalb achtet sie sehr kritisch darauf, dass die Immobilie auch langfristig ihr Geld wert ist. Eine Top-Lage und ein sehr guter Zustand helfen.
Was ist Dein Tipp für diejenigen, die gerade auf der Suche nach einer Immobilie sind?
MK: Meiner Meinung nach ist es wichtiger denn je, einen großen Marktüberblick zu haben und verschiedene Banken miteinander zu vergleichen. Früher konnten sich die Interessenten mehr oder weniger aussuchen, mit welcher Bank sie die Finanzierung machen. Heute sieht das anders aus: Im Zweifelsfall gibt es nur sehr wenige Bankpartner für die individuellen Rahmenbedingungen und bei einigen Konstellationen geht es darum, überhaupt einen zu finden. Als Vermittler übernehmen wir auch die Verhandlungen mit der Bank. Zurzeit kommt es manchmal vor, dass sie eine Kreditanfrage ablehnen, die sie früher noch bewilligt hätten – dann finden wir für den Kunden heraus, was die maximale Kreditsumme wäre und wie die Finanzierung doch noch zustande kommt.
Welche Bank passt am besten zu meinen Plänen?
hat zuletzt eher garten- als hausgemacht (die Sturmschäden!) / hat noch keine Immobilie finanziert – ist aber dabei, dem Vermieter seine Großstadt-Wohnung abzubezahlen / kommuniziert seit 2016 für Dr. Klein intern, extern und sehr gerne mit Presseleuten / liebt es, mit VW-Bus, Rad und Wanderstiefeln unterwegs zu sein