Bauzinsen und Immobilienpreise: Geht die Rallye in der zweiten Jahreshälfte weiter?

Bauzinsen und Immobilienpreise: Geht die Rallye in der zweiten Jahreshälfte weiter?

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Rasant steigende Bauzinsen, zweistellige Zuwächse bei den Immobilienpreisen, ein knappes Immobilien-Angebot und hohe Baukosten: Die erste Jahreshälfte war für Bau- und Kaufwillige sowie Anschlussfinanzierer knifflig. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein, ordnet die aktuelle Entwicklung ein, wagt eine Prognose für die zweite Jahreshälfte und warnt vor übereilten Entscheidungen.

Darum steigen die Bauzinsen so rasant

Aktuell liegt der Bestzins (Repräsentatives Beispiel, Stand: 09.06.2022) für ein 10-jähriges Hypothekendarlehen bei 2,86 %. Am Jahresanfang lag er noch bei 0,73 %. Die Bauzinsen haben sich also innerhalb des ersten Halbjahres mehr als verdreifacht. Die Zinswende im Bereich der Baufinanzierung ist also da.

Ebenso rasant ist die Entwicklung der 10-jährigen Bundesanleihe. Lag sie am Jahresanfang noch im Minusbereich, hat sie inzwischen die 1-Prozent-Marke überschritten. Ihre Entwicklung ist ein wichtiger Orientierungspunkt für die Einschätzung der Zinsentwicklung bei den Bauzinsen. Denn wohin diese Anlage tendiert, dahin entwickeln sich auch die Baufinanzierungszinsen. Ergo: Steigen die Zinsen für Staatsanleihen, steigen auch die Bauzinsen – und umgekehrt.

Wie unsere Info-Grafik zeigt, beträgt der Abstand zwischen der Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen und den Bauzinsen mit einer 10-jährigen Zinsfestschreibung im Schnitt 1 bis 1,5 % − soviel zur Finanzmathematik.

Doch warum sind die Bauzinsen nun so rasant gestiegen? Der Hauptgrund ist die anhaltend hohe Inflation. Wie viele andere Marktbeobachter ist Michael Neumann Ende 2021 davon ausgegangen, dass in 2022 die Inflation im Euroraum spürbar zurückgeht.

Doch die Realität sieht anders aus. So schätzt Eurostat, also das statistische Amt der Europäischen Union, dass die jährliche Inflation im Euroraum im Mai 2022 auf 8,1 % steigt, in Deutschland soll sie sogar bei 8,7 % liegen. Und vermutlich werden wir das hohe Niveau auch in der zweiten Jahreshälfte sehen. Denn die Liste der Triebkräfte für die Inflation ist lang – eine kleine Auswahl:

  • hohe Energie- und Lebensmittelpreise
  • der Ukraine-Krieg und der verhängten Sanktionen
  • die Zero-Covid-Strategie von China
  • gestörte Lieferketten

Die Faustformel lautet daher: Die hohe Inflationserwartung treibt die Bauzinsen weiter nach oben.

Die Übertreibungen am Kapitalmarkt sind ein weiterer wesentlicher Grund für die derzeitigen Zinserhöhungen. „Zum Teil sehe ich aktuell auch eine Übertreibung am Kapitalmarkt, denn er preist mehr Zinserhöhungen seitens der EZB ein als wir sehen werden“, kommentiert Michael Neumann die jüngste Zinsentwicklung. Diese Übertreibungen dürfen ein Ende haben, wenn die EZB im Juli erstmals seit 11 Jahren wieder die Leitzinsen anhebt und weitere Zinsschritte kommuniziert – also ihre ultralockere Geldpolitik korrigiert.

So wirkt sich der Zinsanstieg auf die Finanzierung aus

Die Bauzinsen sind also seit Jahresbeginn rasant gestiegen. Was das konkret für die Baufinanzierung bedeutet, möchten wir euch anhand einer Beispielrechnung verdeutlichen. Angenommen, ihr habt im Januar 2022 eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 400.000 Euro erworben, 50.000 Euro in die Finanzierung mit eingebracht, eure Zinsfestschreibung läuft über 15 Jahre und die anfängliche Tilgung liegt bei 2,5 Prozent.

Dann hätte euch die Bank im Januar 2022 wahrscheinlich einen Bestzins von 1,0 Prozent anbieten können. Somit landet ihr bei einer Monatsrate von 1.017,92 Euro. Nach 15 Jahren hättet ihr 41.791,61 Euro an Zinsen an die Bank gezahlt und eure Restschuld, also der noch nicht zurückgezahlte Teil eures Darlehens, läge bei 208.566,01 Euro.

Anfang Juni 2022 sieht die Situation deutlich anders aus. Denn nun liegt der Bestzins für das identische Darlehen bei 2,76 Prozent. Somit landet ihr bei einer Monatsrate von 1.522,50 Euro. Nach 15 Jahren hättet ihr 112.202,94 Euro an Zinsen an die Bank gezahlt und eure Restschuld läge bei 188.152,94 Euro.

Finanzierungsangebot: Januar 2022Finanzierungsangebot: Juni 2022
Effektiver Jahreszins: 1,00 %Effektiver Jahreszins: 2,76 %
Monatsrate: 1.017,92 €Monatsrate: 1.522,50 €
Zinskosten am Ende der Zinsfestschreibung: 41.791,61 €Zinskosten am Ende der Zinsfestschreibung:
112.202,94 €
Restschuld: 208.566,01 €Restschuld: 188.152,94 €
Höhere Monatsrate: 504,58 €
Höhere Zinskosten: 70.411,33 €
Eckdaten der Finanzierung: Kaufpreis 400.000 Euro, Darlehen 350.000 Euro, Anfängliche Tilgung: 2,5 Prozent, Zinsfestschreibung 15 Jahre

Die Beispielrechnung zeigt: Ein Zinsanstieg um 1,76 Prozentpunkte bedeutet für euch eine deutliche finanzielle Mehrbelastung. Die Monatsrate verteuert sich um mehr als 500 Euro. Noch drastischer sieht es bei den Zinszahlungen aus: Aufgrund des enormen Zinsanstiegs zahlt ihr für das identische Darlehen etwa 70.000 Euro mehr Zinsen. Rechnet daher genau aus, ob ihr euch eine solch teure Finanzierung wirklich leisten könnt und wollt.

Foto: Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein

Prognose: Bauzinsen steigen, Preise bleiben robust

Bekanntlich sind Prognosen immer schwierig und das gilt auch für die Entwicklung der Bauzinsen und der Immobilienpreise. Doch warum eigentlich? „Es sind einfach sehr viele Einflussfaktoren mit mehreren Variablen, die da wirken“, sagt Michael Neumann. So stehen beispielsweise die Bauzinsen niemals isoliert da. Denn sie sind eingebettet in die wirtschaftliche Entwicklung und werden von weiteren Faktoren beeinflusst. Ein Beispiel: Eine hohe Inflationserwartung treibt die Bauzinsen nach oben, während Konjunkturrisiken sie dämpfen.

Insgesamt geht Michael Neumann davon aus, dass sich der rasante Anstieg bei den Bauzinsen in der zweiten Jahreshälfte nicht fortsetzen wird. „Denn der Kapitalmarkt hat bereits die Leitzinserhöhungen der EZB eingepreist.“ Doch in der Tendenz werden die Bauzinsen weiter steigen. „Die Zeiten rekordtiefer Bauzinsen sind vorbei. Gut möglich, dass beispielsweise das Zinsniveau für ein 10-jähriges Hypothekendarlehen am Jahresende um 3 % liegt oder eben leicht darüber.“

Und wie sieht es bei den Immobilienpreisen aus? Laut dem Dr. Klein Trendindikator für Immobilienpreise, kurz DTI, sind die Preise im ersten Quartal auf breiter Front gestiegen. Kehrt sich dieser Trend nun um? Könnte die Zinswende dazu beitragen, dass die Immobilienpreise im Durchschnitt fallen? „Das sehe ich nicht – jedenfalls nicht flächendeckend“, sagt Michael Neumann.

Er verweist darauf, dass nach wie vor die Nachfrage nach Immobilien viel größer ist als das Angebot. Zudem bietet eine Immobilie einen gewissen Inflationsschutz. Denn in der Regel steigt bei einer hohen Inflation der Wert der Immobilie und gleichzeitig entwertet diese die Kreditschulden.

Michael Neumann erwartet daher, dass sich die Immobilienpreise in der zweiten Jahreshälfte mehr ausdifferenzieren. „Es wird Regionen geben, wo die Immobilienpreise weiterhin deutlich steigen, in anderen werden sie eher seitwärts verlaufen und in strukturschwachen Regionen können sie auch leicht fallen.“ Kurz: Die Lage einer Immobilie bleibt weiterhin ein wichtiges Kriterium für den Preis.

Sucht daher das Gespräch mit unseren Spezialisten für Baufinanzierungen. Sie unterstützen euch auch bei der Bewertung der Immobilie und damit sinkt für euch das Risiko, eine übereilte Baufinanzierung abzuschließen.

Podcast-Folge: Baufinanzierung − Die Zinswende ist da

Wer nicht lesen will, der muss hören. In der Podcast-Folge (12:15) spricht Michael Neumann über die Zinswende im Bereich der Baufinanzierung und er wagt eine Prognose, wie sich die Bauzinsen und die Immobilienpreise in der zweiten Jahreshälfte entwickeln. Hört euch schlau.

Kapitelmarken

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00:00 Begrüßung & Einleitung

00:28 Die Bauzinsen haben sich seit Jahresanfang verdreifacht. Warum eigentlich?

01:32 Liegt es vielleicht auch daran, dass die Banken ihre Gewinnmargen angepasst haben?

02:17 Wie sieht deine langfristige Prognose aus? Wo liegen die Bauzinsen für ein 10-jähriges Hypothekendarlehen am Jahresende?

03:02 Warum ist eine Bauzinsen-Prognose so schwierig?

04:11 Sehen wir aktuell eine Zinswende im Bereich der Baufinanzierung? Läuft also die Niedrigzinsphase aus?

05:12 In der jüngsten Vergangenheit war so, dass die Immobilienpreise rasant gestiegen sind und die Bauzinsen dagegen immer günstiger wurden. Jetzt steigen beide. Warum ist das so?

06:19 Erwartest du in 2022 einen Rückgang bei der Nachfrage nach Baukrediten?

07:27 Wie ist deine längerfristige Prognose für die Immobilienpreise?

08:55 Soll ich jetzt kaufen oder lieber warten?

09:47 Wie können Laien den richtigen Zeitpunkt für ihre Finanzierung abschätzen?

11:09 Zusammenfassung

11:44 Verabschiedung

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